Lemonbabies

with Keine Kommentare

Als ich einem guten Freund erzählte, daß die Lemonbabies demnächst spielen würden, überforderte mich seine Reaktion völlig. Der ansonsten eher gemütlich veranlagte Mensch sprang mit einem Schrei der Begeisterung vom Stuhl auf und verschwand in seinem Zimmer mit den Worten: “ich geh’ denn schon mal Slips zum auf die Bühne werfen aussortieren”.

Daß es auf dem Konzert doch nicht zum Schlüpferwerfen kam, lag wohl daran, daß die vier Berlinerinnen sich schlicht weigerten, “photolovestory” zu spielen. Die Mädchen waren ja auch in erster Linie gekommen, ihre neue Platte >Porno.< vorzustellen. Dennoch verirrte sich zwischen neuen Stücken wie “girls affairs”, “everyday procedure” und “It’s alright” auch ältere Perlen wie “individual” und “Nobody’s go now”.

Überzeugten die Lemonbabies früher eher duch Charme und Spiellust als durch technische Fähigkeiten, haben sie mit >Porno.< einen entscheidenden Schritt von liebenswerter Unzulänglichkeit hin zu ausreifender musikalischer Technik gemacht. Die “Babies”, scheinen langsam erwachsen zu werden. Darüber, ob diese Enwicklung sowie die Neubesetzung der Bassistin mit der 19jährigen Barbara gut oder schlecht ist, gingen die Meinungen auseinander. Trotz dieser einschlägigen Veränderungen, die das Erscheinungsbild der Band auch auf der Bühne entscheidend prägten, verkörpern die Mädchen letztendlich doch das von ihnen geprägte Klischee des Lemonbabies ansich.

Im frisch renoviertem MarX (das leider so verraucht war, daß man die schöne neue orange Farbe der Wände nicht erkennen konnte) gewannen sie dann auch durch die gute Stimmung des Publikums getragen schnell ihre Sicherheit, Charme und Spielfreude zurück, wie sich durch die glücklichen Gesichter der Interpretinnen mitteilten. Trotz aller neugewonnener Professionalität schlichen sich sogar wieder ein paar jener kleinen Schnitzer ein, die die Fans so an ihnen lieben. Hätte ich Schlüpfer dabei gehabt, hätte ich sie geworfen, um meine Heldinnen zu ehren.

Porno.-Heldinnen eben der ganz anderen Art.

erschienen in: access all areas 8/98

Share this: